Alltag mit Schmerz,  Umgansstrategien

Wer hat die Macht?

Habe ich es in der Hand, wie sehr mich der Schmerz in der Hand hat? Kann ich über ihn bestimmen, ihn in die Ecke verweisen? Ihm einen Raum geben, über dessen Grenzen er nicht hinweg kommt?

Ich entscheide, wie sehr ich den Blick auf ihn richte. Wenn ich einen von zwei Tagen am Wochenende im Bett verbracht habe, dann ist es meine Entscheidung, was ich am Montag erzähle, welches Gewicht ich dem Tag gebe. Ist es ein verlorener Tag, oder war es einer von zwei Tagen, an denen ich auch etwas sehr schönes gemacht, mit Freunden in der Sonne gesessen habe?

Ich kann ihm Raum geben, ich kann ihm Raum und damit auch Macht und Gewalt nehmen. Aber ich kann ihn nicht leugnen. Im Inneren bin ich sowieso ständig mit ihm beschäftigt. Wenn ich ihn für mich behalte, wenn ich nie von den anderen Tagen spreche, dann fehlt ein Teil meines Lebens. Dann kennen die Menschen mich nicht. Und dann frisst mich dieser Teil irgendwann von Innen auf.
Manchmal kann ich dadurch, dass ich ihn nicht thematisiere, mich ablenke, nicht darüber rede, dafür sorgen, dass er nicht so präsent ist. Er verliert an Macht. Aber es ist immer eine Gratwanderung. Zwischen Realität und Verleugnung, zwischen erzählen und weglassen.

Zum verarbeiten gehört akzeptieren, zum akzeptieren gehört es, etwas anzunehmen, nicht, es zu verdrängen.

Zwei Psychotherapeutinnen haben mir etwas gesagt, das auf den ersten Blick unvereinbar scheint: Die Erste sagte zu mir: „Wenn der Schmerz da ist, dann können Sie ihm sagen: ‚Wenn du nicht gehst, dann nehme ich dich eben mit.‘ Packen Sie Ihren Schmerz ein und gehen Sie raus.“
Und die Andere erklärte mir, dass ich dem Schmerz den Raum geben müsse, den er braucht. Denn verdrängt würde er nur schlimmer.

Ich glaube beides stimmt. Ich muss noch immer lernen, auf meinen Körper zu hören. Manchmal brauche ich Ablenkung, auch wenn der Schmerz schlimm ist. Aber manchmal hilft die beste Ablenkung der Welt nicht. Dann funktioniert nur Ruhe und Abwarten. Dann kann ich ihn nicht in Grenzen verweisen, ihm keinen Raum geben, ohne dass er ihn überschreitet.

Aber dennoch: Es ist immer auch meine Entscheidung, wie ich ihn bewerte.

In der verhaltenstherapeutischen Schmerztherapie geht es unter anderem darum, eigene Muster im Umgang mit dem Schmerz zu erkennen und zu durchbrechen. Sich ein Stück der Macht zurückerobern. Dem Schmerz nicht alles überlassen.

Ich arbeite dran. Der Schmerz hat viel Macht. Aber das letzte Wort habe ich.

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