
Die guten Tage
Da es hier meist um die schlechten Tage geht, möchte ich betonen, dass es auch die anderen, die Guten gibt. Und die genieße ich aus vollen Zügen. In letzter Zeit sind sie seltener geworden aber, vielleicht deshalb, weiss ich sie zu schätzen.
An den guten Tagen habe ich keine Schmerzen. Das ist nicht nur schön, weil es schön ist schmerzfrei zu sein, sondern auch, weil ich merke dass mein Körper es kann. Und das ist gut. Es ist ein Lichtblick.
An den guten Tagen bin ich voller Energie und freue mich darüber. Ich verbringe Zeit mit Freunden, erledige endlich Dinge, die an schlechten Tagen immer liegen bleiben, zum Beispiel den Haushalt, und gehe meinen Hobbys nach.
An den guten Tagen sammle ich Ideen, was ich gegen den Schmerz tun kann und fasse neue Vorsätze wie mehr Sport oder eine andere Ernährung, um den Schmerz irgendwann in den Griff zu kriegen. Die Zuversicht blitzt dann durch und die Hoffnung, dass es besser wird. Ich erstelle Einkaufslisten und Wochenpläne und suche im Internet nach Yogagruppen oder ähnlichem. Wenn die guten Tage dann vorbei sind, kann ich meist nur noch einen Bruchteil davon wirklich umsetzen, aber das macht nichts. Ich plane trotzdem.
An den guten Tagen mache ich fast alles, das geht. Das heißt bis auf wenige Ausnahmen tue ich ohne Einschränkungen wonach mir ist. Das ist gut, denn es bedeutet, dass ich nicht über den Schmerz nachdenke. Und manchmal bedeutet es leider auch, dass ich über meine Grenzen hinaus gehe und es hinterher bereue. Manchmal gar nicht leicht, die Balance zwischen Vorsicht und Vergessen zu finden.
In der multimodalen Schmerztherapie habe ich gelernt, meinem Körper alltägliche Bewegungen wieder zuzutrauen. Ich versuche mich nicht im Watte zu packen, sondern meinen Körper so zu benutzen, wie jeder andere auch. Ich habe gelernt, dass ich so schnell nichts kaputt machen kann. Das war sehr befreiend. Natürlich muss ich vorsichtiger sein als andere, aber trotzdem kann ich bedenkenlos meine Einkaufstüten in den vierten Stock tragen. Und an den guten Tagen geht das auch.
Es gibt sie. Und ich genieße sie. Vielleicht sogar bewusster als andere Menschen.

