
Alltag
Als Schmerzpatientin entscheidet oft mein Körper was geht oder was nicht geht. Ganz langsam lerne ich, dass ich meinen Alltag anders einrichten muss, als andere Menschen.
Natürlich weiss ich das schon länger, aber es gibt auch einen kleinen bockigen Teil in mir, der keine Lust hat, Rücksicht zu nehmen. Der normal sein will und an den guten Tagen trotzig Dinge durchsetzt, die sich am nächsten Tag möglicherweise rächen.
Im letzten halben Jahr habe ich Platz gemacht in meinem Alltag. Ich habe die Arbeitsstunden reduziert und viele Nachmittagsaktivitäten gestrichen. Vorher hatte ich viele Hobbys mit festen Terminen, jetzt gibt es nur noch einen Abend in der Woche, an dem ich regelmäßig etwas vor habe. Ich habe tausend Interessen und immer neue Ideen was ich lernen oder machen möchte. Aber mein Körper braucht Ruhepausen.
Es gehört zu meinem Alltag, dass ich ein bis zwei Mal in der Woche so erschöpft oder so voller Schmerzen bin, dass ich nach der Arbeit erst einmal ins Bett gehe. Es ist schön, dass ich das kann und keine Verpflichtungen im Weg stehen und gleichzeitig ist es so verdammt schade, dass ich in dieser Zeit andere Dinge nicht tun kann. Die Frage, wie das mit Familie möglich wäre, erlaube ich mir gar nicht.
Aber ohne die Verpflichtungen geht es mir besser. Ich muss vor niemandem ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich absage. Ich muss nicht auf Krampf funktionieren. Ich mache was ich kann, wenn ich kann.
Auch Sport kommt in meinem Alltag nicht vor, weil er mir so viel Spaß macht, sondern weil ich ihn brauche. Und gleichzeitig brauche ich die Flexibilität nicht an Termine gebunden zu sein und an doofen Tagen kein schlechtes Gewissen zu haben, einen Kurs zu verpassen. Yoga und Nordic Walking kann ich machen wann ich möchte.
Wenn ich das Haus verlasse, dann checke ich nicht ob ich Sonnenbrille und Handy dabei habe, sondern welche Medikamente ich brauchen könnte und ob sie ausreichend da sind. Fahre ich länger weg, ist mein Rucksack zur Hälfte mit Faszienball, Tensgerät, Massageöl, Schmerzsalbe und einem zweiten Kulturbeutel mit Medizin gefüllt.
In meinen Kalender gehören Arzttermine und Physiotherapie.
Meine alltäglichen Gedanken sind welche, die viele nicht gleich verstehen würden. Andere machen sich Gedanken, was sie nach einem 10 Stunden Tag kochen sollen, ich frage mich morgens, ob ich ihn gut überstehe. Andere machen einen faulen Netflix Tag weil sie keine Lust haben, etwas anderes zu tun, ich mache ein Netflix Wochenende, weil ich nichts anderes tun kann. Andere planen einen Haufen Aktivitäten in ihrem Urlaub, ich hoffe, dass ich einige Tage habe, an denen ich aktiv sein werde. Andere verbinden mit der Zahl 10 nicht sofort die Schmerzskala.
Ich übe, meinen Alltag umzugestalten, sodass es mir gut geht. Man sagt, um neue Routinen zu entwickeln braucht man 13 Wochen. Ich will seit einer Weile meine Ernährung umstellen und Bewegung in meinem Alltag integrieren. Es fällt mir schwer. Weil ich es nicht aus Lust tue, sondern aus Vernunft und der Hoffnung, dass es mir gut tut.
Balance zwischen Schmerz und nicht Schmerz. Alltag.

