Alltag mit Schmerz

Wie geht es dir – eine Floskel?

Die letzten Monate waren hart. Sie waren beschissen. Ich war mit mir, mit meinem Zustand, mit dem Frust und dem Ärger darüber beschäftigt. Schmerz ist ein großes Thema. Und manchmal habe ich das Gefühl, meinem Umfeld damit gehörig auf die Nerven zu gehen.

Wenn meine Kollegin mich morgens fragt, wie die Nacht war oder ob ich gut geschlafen habe, traue ich mich nicht immer eine ehrliche Antwort zu geben. Erzähle ich – wieder einmal – dass ich nur drei Stunden geschlafen habe und es mir schwerfällt, mich zu konzentrieren, dass ich lieber nicht im Büro wäre? Oder lächle ich und antworte irgendetwas unbestimmtes oder unverfängliches?
Ich weiss ja, dass sie eigentlich mal eine andere Antwort hören möchte.

Wenn wir mit Freunden zusammen sitzen und ich zur Begrüßung gefragt werde, wie es mir geht, bin ich dann ehrlich und ziehe das zehnte Treffen in Folge damit erstmal die Stimmung runter?

An Tagen, an denen ich eigentlich nichts anderes im Kopf habe, als meine Gesundheit oder den Schmerz, bringe ich das Thema dann vor?

Wenn ich gefragt werde, versuche ich eine ehrliche Antwort zu geben. Ich glaube, dass Freunde und Familie das aushalten und ich hoffe, dass sie fragen, weil sie wissen wollen, wie es jemandem geht. Wie es mir geht.
Bitte fragt, wenn ihr die Antwort hören wollt. Es tut mir gut.

Es gibt mir die Erlaubnis zu erzählen. Denn von allein würde ich das vielleicht nicht immer tun. Manchmal bewusst, oft aber auch aus dem Gefühl heraus, nicht schon wieder damit anfangen zu können, mit der ewigen Geschichte zu nerven. Schlechte Laune zu verbreiten.

Die Frage wann und wie oft man das Probelm thematisieren kann, darf oder sollte, scheint viele Schmerzpatienten zu beschäftigen. Es ist mir im Austausch mit ihnen häufiger begegnet.
Eine Betroffene hat mir mal frustriert gesagt, dass Menschen beim vierten oder fünften Mal Fragen eine andere Antwort erwarten. Sie sind es gewohnt, dass Krankheiten mit der Zeit besser werden. Dass Themen sich verändern. Dass es Neuigkeiten gibt. Sie sagte mir, dass sie deshalb keine Lust mehr habe mit Menschen zu sprechen und fast nie erzählen würde, wie es ihr ginge.
Das hat mich traurig gemacht.
Natürlich habe ich auch den Wunsch, eine andere Antwort auf die Frage „Wie geht es dir?“ geben zu können als „geht so“ oder „nicht gut“. Aber dennoch sollte ich sie doch ehrlich beantworten dürfen.

Die Erwartung, nach einer Weile eine andere Antwort zu geben, können Menschen mit chronischen Erkrankungen oft nicht erfüllen. Aber gleichzeitig wächst der Erwartungsdruck und die Sorge darüber, was passiert, wenn sie diesen Erwartungen nicht gerecht werden.

Wenden sich Menschen ab? Haben sie keine Lust mehr, sich noch einmal das Leid anzuhören? Mit einem eher unangenehmen Thema umzugehen? Oder, was ich persönlich noch viel schlimmer finde, wird es ihnen sogar egal, weil sie denken „Ach, nichts Neues“ oder „Bei ihr ist es doch immer dasselbe, da muss ich nicht weiter drauf eingehen“.

Aber auch Freunde und Familie sind manchmal unsicher, ob sie überhaupt noch Fragen sollen. In der Schmerzgruppe habe ich von Patientinnen gehört, dass ihre Freunde aus Angst vor einer komischen Reaktion aufgehört haben, zu fragen. Oder, dass sie einfach nicht wissen, wie sie auf eine ehrliche aber möglicherweise deprimierende Antwort reagieren sollen.

Jede Patientin ist anders. Ich glaube, Kommunikation ist immer gut, wenn sie ehrlich ist. Wenn du etwas wissen willst, dann frag mich bitte. Wenn ich nicht antworten will, dann lasse ich es. Aber wenn du fragst, dann weiss ich, dass du Interesse hast. Und das ist schön. „Wie geht es dir?“ ist für mich eine wichtige Frage und keine Floskel. Wenn ich sie stelle, dann möchte ich wissen, wie es dem anderen geht. Und wenn ich sie gestellt bekomme, dann möchte ich ehrlich antworten dürfen. Fragt mich nicht ständig, aber ab und zu und nur, wenn ihr es wissen wollt.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert